In Japan soll es nicht ungewöhnlich sein, während der Arbeitszeit ein Nickerchen zu machen. Im Gegenteil, Powernapping gilt als Zeichen harter Arbeit, sodass sich manche als Beweis dafür, wie sehr sie sich ins Zeug legen, auch schon mal schlafend stellen. Eine Freundin aus Wien, alleinerziehend, erzählt mir, dass Engagements und Überstunden-Performances small-talk-passabler sind als ihr innerer Ruf nach Auszeiten. Eine andere Freundin aus New York schläft während gewisser Projektphasen nur drei Stunden pro Tag.
Und bei uns? Hierzulande sind die Jobbedingungen vielleicht nicht ganz so drastisch – und doch: Über seine Grenzen zu gehen ist weit salonfähiger als das Zugeständnis, sich wegen überhöhtem Lebenstempo in Therapie zu begeben. Dabei ist es aus meiner Sicht gar nicht nur der Job, der Kräfteraub und Verausgabung bedingt. Von allen Seiten schreit es uns an. Die Gemengelage aus Lappalien und echten Krisenherden bringt uns und den Planeten in einen Zustand allgemeiner Überhitzung: Das überfällige Geburtstagsgeschenk (für einen, der alles hat), die ungenutzte Sprach-Lern-App, der Schicksalsschlag im Freundeskreis, die schweißtreibende Rückruf-Liste, das kaputte Schul-Tablet des Pubertiers, die Ausstellung, die nur noch diese Woche läuft, das schwache WLAN, die deprimierende Doku über den Gaza-Streifen, die brachliegende Fitness, die vereinsamte Nachbarin, der leere Kühlschrank (und übervolle Supermarkt), das ZIB-Interview mit dem (Innen-, Außen-, man setze gemäß eigenem Unbehagen ein) Minister, die vertrocknete Primel vor der Haustür, die Mail mit der mahnenden Stimme, da sollten wir, vor allem du, endlich was dagegen tun. Und obendrauf: die gleichsam wichtige wie zehrende Auseinandersetzung mit Geschlechter- und Rollenbildern. Da sitze ich bei meiner Freundin im Garten und komme ins Gespräch mit deren Ehemann. Irgendwann erwähne ich – und ertappe mich bei einem leisen Vorwurf in der Stimme, als könnte er persönlich was dafür –, dass ich gerade „Die Erschöpfung der Frauen“ von Franziska Schutzbach lese. Er, ganz trocken – und es war kein Witz: Auf seinem Nachtisch läge dieser Tage „Der gekränkte Mann“. Die Pointe lässt erahnen, wie sehr uns das Verhandeln neuer Lebens- und Rollenmodelle beschäftigt. Viel work in progress also und angesichts alldem kein Wunder, dass unsere emotionale Kraft dahinzuschmelzen droht wie Aprilschnee.Was also tun oder lassen, um nicht selbst zu überhitzen oder abgebrüht zu werden? Das Hier und Jetzt aufsuchen, so die unüberhörbare Zauberformel. Schön wär’s, wenn dieser leise, Zufriedenheit stiftende Gegenwartszustand halt nicht immer eingeklemmt wäre zwischen Deadlines hier und To-dos jetzt. Die Ambivalenz lässt grüßen. Und trotzdem. Raushüpfen aus dem Hamsterrad, durchatmen, innehalten. Toi toi toi.