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„Hiermit erkläre ich dir den Frieden.“

Als unsere Kinder noch klein waren, haben wir sie während längerer Autofahrten oft mit Hörspielen bei Laune gehalten. Das ist nichts für schlechte Nerven, aber dann und wann entdeckt man eine Perle. In Erinnerung geblieben ist mir eine Episode von Gina Ruck-Pauquèts „Der kleine König“ und die geht so ...

Eines Tages erklärt der große König aus dem Nachbarland dem kleinen König den Krieg. Seine Frau ist ganz aufgeregt, es fehlen die Waffen zur Verteidigung, doch der kleine König verfolgt ohnehin einen anderen Plan. Er antwortet dem großen König per Brief: „Hiermit erkläre ich dir den Frieden.“ Und lädt den mürrischen Rivalen in seinen üppig blühenden Garten ein. „Riesengroß und düster“, so erzählt es die Geschichte, marschiert dieser mit seinem Gefolge beim kleinen König auf, der ihn sogleich fragt: „Hast du auch Rosen?“ „Papperlapapp“, sagt der große König ungeduldig. „Warum willst du keinen Krieg gegen mich führen?“ Woraufhin der kleine König: „Ich führe niemals Krieg. Ich kämpfe nur gegen Blattläuse. Sind bei dir die Astern schon gepflanzt?“
Großer König: „Ich habe keinen Garten.“
Kleiner König: „Ach, du Armer.“
Großer König: „Ich bin ein Krieger. Reich bin ich und gefürchtet.“
Aber so beim Sitzen auf der Gartenbank in der Sonne, Rittersporn und Anemonen betrachtend, beginnt der große König sich zu entspannen. So sehr, dass er verspricht, die Kriegserklärung zurückzuziehen, wenn ihm der kleine König dabei behilflich sein würde, einen eigenen Garten anzulegen.

Dieser Tage möchte man sich wünschen, an Märchen glauben zu dürfen. Zumindest an das gute Ende. Die Realität ist umso beängstigender, mischt sich unheilvoll in unsere Grundstimmung und wirft düstere Fragen auf. Fragen, die wir uns die letzten Jahrzehnte nicht mehr – und viele von uns noch gar nie – stellen mussten. Umso wichtiger ist es, uns unser Mitgefühl, unsere Berührbarkeit beizubehalten. Unsere Solidarität, unser guter Wille, unsere guten Taten, das sind die Astern, Anemonen und der Rittersporn.