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Von Müttern und Töchtern

Letzthin beim Aufräumen meines digitalen Schreibtischs bin ich auf ein paar alte Kolumnen gestoßen, die ich vor rund zwei Jahren zur eigenen Belustigung verfasst habe. Wohl in einer Art Humoroffensive gegen zu viele Pubertätssymptome in unserem Hause! Eine davon möchte ich gerne hier teilen ...

2018. Meine Tochter (13) sitzt neben mir im Auto. Ich bin müde und gähne. Sie gähnt ebenfalls. Und sagt: „Ich habe gelesen, dass man vom Gähnen nur angesteckt wird, wenn einem die gähnende Person sympathisch ist.“ Wie schön für mich, sage ich, und freue mich. Du bist ja auch meine Mama, sagt sie – Augenverdreher und Kopfschütteln. Doch erstens sind Sympathiebeweise nicht mehr selbstverständlich, sobald die Kinder in die Pubertät kommen, und zweitens gestand mir einmal eine Frau, eines ihrer Enkelkinder sei ihr nicht sonderlich sympathisch. Ja, dachte ich mir, das fängt wahrscheinlich beim Schwiegersohn an. Blutsverwandtschaft also als kein Garant für Sympathie. 

Apropos Blutsverwandtschaft: Sagt sie, meine blutsverwandte Teenagerin, doch nicht, sie wünsche sich einen Gentest zu Weihnachten. Rufzeichen. Bei mir poppt sofort das Wort „Vaterschaftstest“ im Kopf auf, völlig entgeistert starre ich in das eindeutig vom Erbgut meines Mannes geprägte Gesicht. Und muss zur eigenen Entlastung hysterisch laut auflachen, wie immer, wenn die Grenze zur Groteske überschritten wird. Nein, nein, meint sie ganz unaufgeregt, ihr ginge es nicht um genetisches Beweismaterial. Vielmehr um die vielen Informationen über das Wurzelwerk des persönlichen Stammbaums. Das Wissen um die Herkunft des Menschen sei ja schließlich ein Grundbedürfnis. Nun denn, eine weniger wissenschaftlich angelegte Suche zur Identitätsfindung wäre mir ehrlich gesagt lieber gewesen. Ein Seminar mit dem Titel: „Selbstwahrnehmung in hormonell turbulenten Zeiten“ oder auch „Wer bin ich und warum?“  Oder was Spirituelles von mir aus. Nein, ein molekularbiologisches Verfahren sollte es sein. Aber das habe sie sich ja gleich gedacht, dass ich sowas ins Lächerliche ziehen würde, wirft sie mir prophylaktisch vor (hab’ ja noch kaum was gesagt). Also recherchiere ich ein bisschen, um mir Futter fürs Humoristische zu holen. Die Wohnorte unserer Ahnen seien in unserer DNA verschlüsselt. Wie nahe wir mit anderen Ethnien verwandt sind und welches gemeinsame Vorfahren sind, Überraschungen inklusive. Klingt durchaus spannend. Vielleicht macht mich aber auch einfach besser nicht heiß, was ich nicht weiß? 

Das vorläufige Ende der Geschichte? Zu Weihnachten hat meine Tochter dann doch einen Stapel guter Bücher und Profi-Malstifte bekommen. Denn soviel Identität ist schon gefunden: „Jugendliche mit großem Hang zu Fantasy in Wort und Bild“. Vielleicht war ja ein Vorfahre Künstler ... Picasso? Gauguin? Oder nehmen wir doch eine Frau ... die mexikanische Malerin Frida Kahlo würde mir als Mitinhaberin eines gemeinsamen DNA Segments gefallen. Aber ja doch, Mexiko hat mich immer schon angesprochen, Guacamole liebe ich sehr und mein Hochzeitsdatum hängt als in die Sonnenzeichen des Maya-Kalender übersetztes Bild an der Wand. Beweise zuhauf also, Gentest überflüssig.

Nachtrag 2020: Und das wirkliche Ende? Sie hat den Test gemacht. Wenig mexikanische Anknüpfungspunkte, die Spur führt eher in den europäischen Norden. Die Theorie des unbekannten englischen Urgroßvaters dürfte gestimmt haben ...